Die Reuss

Die Reuss

von Alfred Koch

Schon im frühen Mittelalter nutzten die Menschen im Reusstal den wilden Fluss für die Schifffahrt, da damals noch kaum geeignete Strassen für Transporte und Reisen vorhanden waren. Flösser transportierten Holz in die Ebenen von Nordfrankreich und Holland. Wasserräder trieben Mühlen und Sägereien. So entstand beim Bau der Holzbrücke um 1240 in Bremgarten am westlichen Brückenkopf auf der dort liegenden kleinen Insel die Bruggmühle.   Am westlichen Reussufer trieb ein Wasserrad die städtische Säge. Gleichzeitig diente die Bruggmühle mit dem Bollhaus der Stadt Bremgarten als Stadtbefestigung und westliches Brückentor.

Das Bild aus der Chronik Schodoler zeigt der Aufstau mit dem Fällbaum und die vielen Mühlräder vor 1500

Manchmal ein Strom wildrauschender Wassermassen, manchmal ein zahmes kleines Rinnsal zwischen Steinen und Nagelfluhbrocken, vermag uns dieser Fluss immer wieder zu faszinieren. Die Reuss durchströmt im Aargau eine eindrucksvolle, urwüchsige Landschaft. Die sieben grossen Flussschlingen, in deren engsten die Stadt Bremgarten eingebettet ist, sind das Wahrzeichen der Talschaft. Wo die Reuss oberhalb Bremgartens die Ebene verlässt und sich das Bett mäanderförmig durch die Quermoränen aus der letzten Eiszeit gefressen hat, nutzen die Menschen seit Jahrhunderten die Kraft des strömenden Wassers.

Die Reuss hat vom Quellgebiet an der Furka (2430 Meter ü. M.) bis zur Aare eine Länge von 159 Kilometern und eine Höhendifferenz von 2100 Meter. Das gesamte Einzugsgebiet mit den Nebenflüssen umfasst 3425 Quadratkilometer. Die Reuss hat sich durch starke Schwankungen im Wasseranfall vor grossen baulichen Eingriffen selbst schützen können. Die Wasserführung liegt im Winter oft unter 40 Kubikmeter pro Sekunde während die Sommerhochwasser 500 bis gar über 900 Kubikmeter pro Sekunde erreichten.

An der Reuss von Luzern bis an die Mündung in die Aare betrieb man entlang der Ufer zahlreiche Flussmühlen. Diese Wassernutzungen bildeten schliesslich die Keimzellen für die Entwicklung von Gewerbe und Industrie in der Talschaft. Was auf alten Bildern und Darstellungen Bremgartens besonders auffällt sind die vielen Wasserräder. Neben der Bruggmühle lag in Bremgarten am westlichen Ufer im Isenlauf die Oelmühle. Die unterhalb der Bruggmühle liegende Wällismühle trieb jedoch der Bach vom Vogelsang. In der Au drehten sich Wasserräder bei der Bleiche und der Walke, bei der Pulvermühle und später bei der Hosenträgerfabrik.

Zwei Längswehre oberhalb der Holzbrücke, ursprünglich Pfahlreihen mit Faschinen umflochten und mit Lehm abgedichtet, stauten den Fluss für die auf der Insel gelegene Bruggmühle und die auf der Stadtseite liegende Unterstadtmühle. Bei Niederwasser im Winter verband man die oberwasserseitigen Enden der Faschinenwehre mit einem Baumstamm, dem Fällbaum, um eine genügende Stauhöhe für den Betrieb der Wasserräder zu gewährleisten.

Für die Transporte talwärts und für das Flössen von Holz eignete sich der Fluss besser als die im Mittelalter noch ungenügenden Strassen und hatte deshalb grosse Bedeutung. Das Flössen und befahren der Reuss mit Schiffen war jedoch nur bei geöffnetem Fällbaum möglich. Daraus resultierten mehrmals Konflikte, die sogar die eidgenössischen Tagsatzung regeln musste.